Beat Bop im Tempel Karlsruhe

Konzertbericht_Beat_Bop_Jan2016










Als ich mit 25 Minuten Verspätung im Karlsruher Kulturzentrum „Tempel“ in der Scenario Halle eintreffe ist die Stimmung bereits vorzüglich. Das Publikum klatscht gerade lässig einen Backbeat zu einem melodiös verschachtelten Conga Groove der beiden Jungs von Beat Bop. Wer gerade nicht mitklatscht hält sich an einem Getränk fest oder bewegt sich zu dem, was da von der Bühne kommt.

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An diesem Samstag, den 30. Januar 2016 improvisieren und variieren Timo Gerstner und Jonas Völker, dass es eine wahre Freude ist. Locker kommunizieren sie mit dem Publikum – musikalisch als auch in ihren Ansagen, die unprätentiös und auf Augenhöhe mit dem extrem zahlreich erschienenen Publikum liegen.

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Nachdem ich mir gefühlt den letzten Stehplatz ergattert habe, folge ich dem weiteren Verlauf des Konzertes und bin bei jedem weiteren Beitrag positiv überrascht.
Die Vielseitigkeit und Musikalität ist im doppelten Wortsinn grenzenlos: Zwischen von Minimal Music inspirierter Vocal Percussion begleitet von Patterns auf Udu und Rahmentrommel und einer praktischen Einführung in einen indischen Tala bei dem das Publikum zum Mitmachen angeregt wird und die beiden virtuos auf Kanjiras (kleine indische Rahmentrommeln) spielen, wechseln sie zu einem Latin March, gespielt auf Cajons begleitet von Caxixi und tonal gestimmten Plastikrohren, den „Boomwhackers“. Bei letzterem Stück beginnt Jonas Völker mit dem Rücken zum Publikum und Timo Gerstner sitzt seitlich. Bald versteht man, dass durch die Veränderung der Sitzposition eine jeweils andere Seite der Cajons angeschlagen wird und sich dadurch der Klang verändert.
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Durch die Röhren kommt ein melodisches Element in den Groove. Wie auch schon beim Conga-Rhythmus zeigen die beiden Duopartner, wie ausgecheckt ihre Parts sind. Was so unbeschwert und locker daher kommt ist genauestens auskomponiert und verinnerlicht. Das Stück auf zwei indischen Rahmentrommeln glänzt durch echte Spielfreude. Man sieht den beiden die Freude an der Musik an. Eine Fähigkeit, die nicht jedem gegeben ist. Mich begeistert der „einfach schöne Klang“, der hier – wie bei allen anderen Stücken – wie nebenbei strahlt.
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Die Aufmerksamkeit der beiden Protagonisten liegt offensichtlich auf wohl gestalteten perkussiven Klängen.
Die generelle klangliche Vielfalt in ihrem Repertoire wird unter anderem im Stück „Sehr angenehm“ deutlich. An einem Tisch sitzend werden mit Besteck Teller und Gläser angeschlagen. Quintolen, Backsticking, schauspielerische Einlagen und Sprache kommen vor. Das Stück verfehlt seine Wirkung nicht. Das Publikum ist begeistert.

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Zum Verständnis der Musik tragen zum einen die wenig verkopften dafür auf die spontane Erfahrung des Publikums setzenden Einführungen der beiden Schulmusiker zu den Stücken bei als auch der Sound. Selten war ein Konzert so exzellent abgemischt.
Einer klassischen Komplikation des Schlagzeug- bzw. Percussion-Konzertes gingen Timo Gerstner und Jonas Völker an diesem Abend gekonnt aus dem Weg: Das „Höher-Schneller-Weiter“ und „Laut – lauter – am lautesten“. Erstens hatten sie ihre Instrumente immer unter klanglicher und spieltechnischer Kontrolle und verloren auch in lauten Passagen nie den gestalteten Klangcharakter. Zweitens hatten sie einen Instrumentalen Gegenpart aufgeboten, der sowohl mit seinen Instrumenten als auch – und besonders- seiner Musik einen für meinen Geschmack höchst spannenden Klangaspekt in das Konzert einbrachte und für die meditativen Momente sorgte.
Was hier so technisch beschrieben wird, ist „in echt“ eine emotional dichte und in seiner Gesamtheit sehr runde und tiefe musikalische Erfahrung. Enkhjargal Dandarvaanchig spielt u.a. mit der Pferdekopfgeige und singt dazu. So einfach kann man es beschreiben. Seine Stimme nimmt dabei unterschiedliche Klangfarben an. Eine kräftige Bruststimme, eine sehr hohe Kopfstimme, eine extrem tiefe Stimme und die flirrenden Obertöne des Kehlkopfgesanges. Mit den Klangfarben seiner verwendeten Saiteninstrumente und den unterschiedlichen Spieltechniken kommt ein großes Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten zusammen mit dem Enkhjargal Dandarvaanchig das Publikum in eine andere Welt versetzt.

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Zwischen den Schlagzeugstücken spielt er seine Stücke. Ein Liebeslied, welches für mich nach „Mongolischem Unplugged-Grunge“ klingt erzählt von der Hoffnung eines Soldaten, dass nach fünf Jahren in der Armee, seine Freundin noch auf ihn wartet. Ein ergreifendes Stück Musik.
Und dann gibt es die gemeinsamen Stücke der beiden Schlagzeuger mit Enkhjargal Dandarvaanchig.
Bei einem wird er von zwei Rahmentrommeln begleitet. Ein anderes rockt zwischenzeitlich gewaltig in 10/4. Zusätzlich sind Querflöte und Geige mit von der Partie.

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Den Abschluss bildet ein Stück für Ölfass, Conga, Bass Drum (aufgehängt á la Safri Duo), Snare und Pferdekopfgeige. Der launige Titel des Stückes: „The Party Horse“. Was so „smooth“ und umgänglich anfängt, beginnt dann unfassbar zu grooven – angestachelt von der Pferdekopfgeige. Eine Art mongolischer ethno-dance-groove verbindet schließlich sämtliche Elemente des Konzertes. Eine hitverdächtige „Collab-infernale“. Genial!
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Wahrhaftige Musik konnte man an diesem Abend erleben. Bleibt zu hoffen, dass die beiden Musiker ihr Projekt „Beat Bop“ weiterführen und in Zukunft nicht vom Schuldienst den Freiraum für solche großartigen Konzertprojekte genommen bekommen. Jungs die Welt braucht euch!

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