CrashIt – Mannheimer Vintage & Custom Drum Messe

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Es ist Samstag der 8. Oktober und ich trudele im Jugendzentrum „FORUM“ in Mannheim ein. Erst auf dem Nachhauseweg wird mir später klar werden, dass ich mich heute hauptsächlich für die Hersteller, Recycler und Upcycler interessiert habe. Das mag auch daran liegen, dass ich mich selbst im Jahr 2012 für ein Drumset von stdrums entschieden habe und aktuell sehr viel Freude an meinem neuen Custom Schlagzeug von MANICDrum aus Slowenien habe. „Die hätten heute auch hierher gehört“ – dass dieser Satz fiel, werde ich so an die Jungs von MANIC weitergeben.


Den Vintage-Teil der Messe dokumentiere ich also nur mit einigen Fotos:


Ich stehe also in der kleinen Halle und auf den ersten Blick ist klar: Die erste CrashIt ist nicht das, was man sich vielleicht bisher unter einer Messe vorgestellt hat. Keine langen Gassen, großen Stände und Standpersonal, welches abgeklärt sein Business durchzieht und bestenfalls einen professionellen Bezug zu den ausgestellten Produkten hat.

Hier stellen Menschen ihre Produkte aus, die zu jedem Bauteil ihrer Instrumente eine Geschichte erzählen können, denn sie haben jedes Bauteil in ihren eigenen Händen gehalten und viele – manchmal sogar sämtliche – Teile in Eigenarbeit hergestellt.

Manches wirkt noch improvisiert am heutigen Tag. Doch wenn man genauer hinschaut und mit den Ausstellern spricht, bemerkt man, worum es heute geht: Die gelassene Effizienz des Individualisten verträgt auch mal ein wenig Chaos, wenn das Ergebnis stimmt. An allen Ständen sind Aussteller mit Besuchern und auch untereinander in Gespräche vertieft. Es wird diskutiert über Dauben, Lagen, Leime, Böckchen, Eigentöne und Frequenzen von Kesseln, Hölzer, Soundverläufe, Lackierungen, Gratungen usw.

Nun zu den Austellern (zu allen, die ich heute nicht direkt ansprechen konnte, wie beispielsweise Zebra Drums und Ingo Winterberg kann ich hoffentlich bei der 2. CrashIt Kontakt aufnehmen!):

stdrums

Werden bestimmte Teile hinzugekauft, ist die Anlaufstelle für die Trommelbauer schon seit vielen Jahren stdrums aus Pirmasens. Wenn Colin STegner einmal mit dem Zeigefinger im Kreis zeigt, hat er auf viel Zubehör gedeutet, welches von Pirmasens aus verschickt wurde und so seinen Weg als Bauteil an die heute ausgestellten Instrumente gefunden hat.
stdrums präsentiert heute das vielfältige Zubehör für den Trommelbau aus dem eigenen Katalog und zeigt damit seine wichtige Funktion als Zulieferer mit komplett-Sortiment sowohl für die anwesenden Hersteller als auch für jeden, der ein Ersatzteil benötigt oder selber zum ersten Mal eine Trommel bauen will. Dafür gibt es Anleitungen auf der Webseite und ab und zu Snare-Bau-Workshops in Pirmasens.
Eine einzigartige Idee präsentiert stdrums mit der Ledersnare. Es handelt sich nicht um eine einlagige „Beschichtung“ sondern eine Snare, deren Korpus komplett aus Leder besteht. Das dicke Lederstück wird gebogen und so in die runde Form gebracht. Sehr interessantes Konzept, welches tadellos funktioniert.
Da stdrums in Person von Gerd Stegner seit jeher ein Faible und Händchen für Vintage Drums hat, Vintage Teile verkauft, selber aber auch Custom Drums herstellt und auch sämtliche Teile liefern kann, unterstreicht die Anwesenheit von stdrums auf dieser Messe seine Position an der Schnittstelle sämtlicher Bedürfnisse, die auf dieser ersten CrashIt thematisiert werden.
Ausserdem war es schön, Eric Köstel zu treffen. Er hat mein stdrums Drumkit gebaut und damit eine tolle 1A-Arbeit geleistet!! Eric bei der Arbeit kann man hier sehen.

Midmill Drums

Ein grundlegendes Verständnis vom Trommelbau hat mir persönlich dabei der D.I.Y.-Workshop von Boris Ritscher vermittelt. Fachlich kompetent führt er in seine Philosophie des Trommelbaus ein. Eine Aufgabe, die er souverän meistert. Eigentlich keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass das Publikum gespickt ist mit anderen Herstellern und Restauratoren, die natürlich auf jeden Zwischenton im Vortrag genau achten. Zwischenzeitlich entspinnen sich kleine Diskurse zwischen Bühne und Publikum, die manchen Punkt noch nachvollziehbarer für mich machen.

Eines haben alle Trommelbauer gemeinsam: Sie folgen ihrem eigenen Weg. Die eigene Biografie, die eigenen Vorlieben im Musikgeschmack, das Herangehen an den Herstellungsprozess – das findet man in den Instrumenten wieder.

Bei Boris Ritscher (Midmill Drums) ist das heute besonders das Upcycling ein Thema. Upcycling? Das bedeutet, er baut Trommeln aus schon einmal für andere Zwecke verwendeten Hölzern. Eine 20 Jahre lang trocken und gut abgestandene Schrankwand aus massiver Eiche eignet sich dazu perfekt, ebenso das Holz alter Fenster und Überseepaletten aus Massivholz. Hier kann der Upcycler sich entscheiden, ob er die durch die vielen Nägel entstandenen Strukturen im Holz als Zierde der Aussenseite der Trommel nutzen möchte oder lieber Wert auf die reine Holzstruktur legt.

Boris Ritscher von Midmill Drums stellt seine Trommeln in Fassbauweise her und demonstriert sogleich an einer Daube, wie er mit dem Hobel arbeitet und wie er den korrekten Winkel zuverlässig herstellt. Handwerkliche Perfektion, Wissen um die Besonderheiten beim Instrumentenbau und Originalität: All das verkörpert Boris Ritscher während seinem frei gehaltenen Vortrag. Nebenbei lobt er die exzellente Arbeit seiner Kollegen vor Ort. Das veranlasst mich, später genauer auf Gratungen, Holzverbindungen und Maserungen zu achten. Ein Seitenhieb auf die Hersteller von Massenware darf im Vortrag nicht fehlen. Die bei Lagen-Kesseln teilweise heftig großen Lücken zwischen den Stößen sind bei Trommelbauern ja schon immer Thema, da sie die ersten sind, die sie entdecken, wenn sie Kessel für Kunden kürzen. Vor Jahren kam ich das erste Mal mit diesem Phänomen in Kontakt, als ich Wahan Drum Technology in Mainz besuchte: „Das ist unser Friedhof der Kuscheltiere“ sagte Wahan “Willy” Cherbettchian beim Anblick des Haufens mit all den lückenhaften Resten von gekürzten Kesseln. Viele dieser Lücken waren auf den ersten Blick zu erkennen. Auf der Seite der Gratung werden diese Lücken mit eingesetzten Teilen gefüllt und sind später nicht leicht zu erkennen.

WAHAN

Wahan “Willy” Cherbettchian ist an diesem Tag auch anwesend. Tiefenentspannt verfolgt er das Treiben in der Halle und unterhält sich mal konzentriert mal verschmitzt lachend. Ein etablierter Hersteller, der sich nicht abwartend zurücklehnt, sondern gleich bei der ersten CrashIt mit dabei ist und auf kleinstem Raum einen Überblick über sein innovatives und qualitativ hochwertiges Sortiment gibt. Super!

Herzblut Instruments

Im zweiten Workshop wird mindestens genauso detailverliebt diskutiert wie im ersten. Auch im Vortrag von Gernot Wegele wird deutlich: Individualisten, die ihre Leidenschaft und ihre Persönlichkeit in ihre Sache legen, erreichen die Menschen. So spricht Gernot Wegele über den Bau von Instrumenten auch als spirituellen Prozess in den er sich begibt. Interessant finde ich seinen Ansatz E-Drum-Sounds mit akustischen Instrumenten umzusetzen. Er geht im Detail auf das Klangverhalten seiner Snares ein und spricht über deren Einsatz im musikalischen Kontext.
Die Live-Präsentation am Schlagzeug zusammen mit E-Bass rundet den Workshop ab. Eine runde Sache!

Klangmacherei

Mit seinem Firmennamen macht Mic Scharf ebenfalls seine Tätigkeit klar: Klangmacherei. Er stellt Trommeln in unterschiedlichsten Designs her. Heute hat er ein Set dabei, das auf mich einen sehr puristischen Eindruck macht und gerade deshalb für mich eines der Juwelen dieser Messe ist. Wie aus einer vereinfachten Zeichnung eines Drum Kits in die Realität versetzt: Keine Spannböckchen und tief-matte Farbe. Nichts lenkt ab. Man hat eine Trommel in Reinkultur vor sich, die einfach zum Spielen einlädt.

Die einfache Formensprache dieses Schlagzeugs fasziniert mich. Die langen Stimmschrauben wirken wie die abstrahierte, technisierte und ganz auch die Funktion reduzierte Weiterentwicklung von Stimmschnüren, wie sie an traditionellen Instrumenten vorkommen. Die hölzernen Spannreifen verstärken bei mir den Eindruck eines eigenwilligen einfach-archaischen und gleichzeitig technisch-modernen Instrumentes. Toll!
Zudem berichtet Mic Scharf begeistert von neuen Ideen, die nur auf ihre Verwirklichung warten. Ich bin gespannt!

Muffkopf

Ein tolles Projekt hat auch Thorsten Reeß auf den Punkt gebracht. Bei Name, Funktion, Social Media-Kampagne und Marketing inklusive Testimonials bekannter Drummer stimmt einfach alles. Auch der Messeauftritt mit kleinem Wohnzimmer setzt ein optisches Highlight, das sich in der Erinnerung der Messebesucher festsetzen wird.

Der Muffkopf ist ein „kleines felliges Etwas“ das man über den Kopf des Bassdrumbeaters ziehen kann. Der Effekt: Die Ansprache wird weniger direkt. Der Klang wird einerseits leiser und andererseits runder, da sich die Attack des Tones nicht so in den Vordergrund spielt: Ein Sound wie früher. Der Muffkopf verbindet also heutiges Know-How mit Vintage.
Noch mehr Schlagzeuger sollten dieses wunderbare Tool kennen und in ihr Repertoire der Klänge aufnehmen. Als beim Leseraward 2016 der Zeitschrift Drumheads zum „Zubehör des Jahres“ ist dazu ein weiterer großer Schritt getan. Glückwunsch und weiter viel Erfolg!

blei custom drums

Sehr gediegene und edle Trommeln präsentiert auch Jens Blei, der sowohl Snares mit Stahlspannreifen als auch mit Holzspannreifen herstellt.

opus IV

Interessant für unterschiedlichste Anwendungen ist das „opus IV“. Wilfried Bellinghausen präsentiert damit ein „hyper-transportables“ Gestell zum Aufbau eines Drumsets. Viele kleine Detaillösungen machen das opus IV zu einer einmalig-transportablen Lösung für jeden der wenig Platz auf der Bühne oder im Bandbus zur Verfügung hat oder nicht so viel schleppen will. Gleichzeitig bietet das Gestell u.a. durch die an den Stimmschrauben aufgehängte und frei-schwebende Bassdrum (kein Pedal am Spannreifen!) die maximal mögliche Klangentwicklung. Das Bass-Drum-Pedal mit Direktantrieb ist in die Konstruktion des Gestells integriert und ist mit den üblichen Verstellmöglichkeiten ausgestattet.

Ein spannendes Konzept, da es funktioniert und im Konzertalltag extreme Erleichterungen bringt. Besonders ist es auch, mit dem Erfinder und Konstrukteur Wilfried Bellinghaus persönlich zu sprechen, auch wenn das bei der hohen Lautstärke im Raum manchmal schwer möglich ist. Hier wäre es aus meiner Sicht hilfreich, wenn es Ruhepausen gäbe. Nachdem der Besucher ausgiebig getestet hat, könnten dann Besucher und Aussteller noch besser ins Gespräch kommen.

Vulkano-Drums

Das Schlagzeug von Vulkano-Drums beeindruckt mit einer Hochglanzoberfläche die das Holz toll zur Geltung kommen lässt. Auch hier war absolute handwerkliche Perfektion am Werk.

Schreinermeister Peter Kraus hat ein Instrument erster Güte auf den Boden der Messehalle gestellt.

BernArt Biersohn

Im Vintage-Bereich gibt es viele alte Becken anzuspielen und über alte Trommeln zu fachsimpeln. Ganz vorne dabei: BernArt Biersohn aus Luxemburg.

Er hat viele Trommeln unterschiedlicher Hersteller dabei. Im Gespräch zweifelt er daran, ob die junge Generation für das Thema Vintage Drums begeistert werden kann. In der Ära des Smartphone ginge die Wahrnehmung für das gute Alte verloren. Nicht mal Schallplatten seien bei den Jungen mehr bekannt. Ich denke auch, dass in der Ansprache und Aktivierung der jüngeren Zielgruppe eine der Herausforderungen für die Messe in der Zukunft liegen wird.

Tommy´s Deals

Interessant und spannend zugleich: „Tommy´s Deals“ hatte stapelweise gespielte Felle im Angebot. Eine geniale Recycling-Idee, die auch für meine Schüler interessant ist, da Fellsätze und besonders Bassdrum-Felle bei Neuanschaffungen den Geldbeutel der jungen Generation stark belasten können.

Von Thommy wird ab und zu ein gewisser „SCHNEIDER!“ lautstark gerufen (!??). Leider bleibt mir verborgen, wer (oder was) eigentlich genau damit angesprochen ist. Es trägt aber entscheidend zur locker-freundschaftlichen Atmosphäre der Messe bei, deren Potential sich weiterentwickeln wird. Eine Perspektive, die bei der allgemeinen Unzufriedenheit unter den Anwesenden mit der Musikmesse in Frankfurt nicht zu unterschätzen ist.

Vintage Drum Meeting Germany

Martin Schneider, erfahrene Persönlichkeit der Vintage-Community, unterstützt durch seine Anwesenheit die Relevanz der Veranstaltung. Top!

DrumkenStein Drums

Für mich das absolute Highlight dieser ersten ChrashIt, da neuartige Instrumente vorgestellt und bisher ungehörte (!) Sounds geboten wurden:
Martin Baytchev alias DrumkenStein Drums recycelt und upcycelt und frankensteint buchstäblich was das Zeug hält. Das Ergebnis sind Klänge, die für jeden Spieler z.B. in einem Percussion Ensemble, für (Film-)Komponisten und Klangsucher eine wahre Bereicherung darstellen. Beispielhaft für den unbändigen Gestaltungswillen und kreativen Outputs des jungen Bulgaren erkläre ich drei Instrumente, die mich beeindruckt haben, näher:

Diese Snare (leider hatte ich zuerst kein Bild gemacht – – zu begeistert wahrscheinlich… – Update: Das Foto hat mir Martin noch geschickt – Danke!) hat seitlich vier Öffnungen am Korpus, an die Cowbell-förmige Trichter angeschweißt sind. Von oben sieht die Snare aus wie ein Propeller. Der resultierende Klang ist eine Mischung aus Snare und Cowbell ;-)

Die rote Snare ist aus einer Propangasflasche hergestellt. Bis in die Nacht vor der Messe hat Martin Baytchev an der Fertigstellung gearbeitet. Es hat sich gelohnt! Der Korpus der Snare auf dem zweiten Bild stammt ebenfalls von einer Propangasflasche.

Mein Lieblingsinstrument: Eine Djembe, deren Kuppe aus aus einem Heizungsteil („Membran-Ausdehnungsgefäß“) gefertigt wurde. Daran wurde das gerade Stück (Herkunft von einem Boiler) geschweißt. Der untere Trichter besteht aus dem Teil einer Propangasflasche. Der 3-lagige Spannreifen aus Birkenholz kommt von ehemaligen Seitenteilen einer Kabeltrommel von der Baustelle. Die Böckchen aus Metall sind selbst gedreht. Das Instrument klingt wie eine „Djembe on Steroids“ und besitzt sämtliche Möglichkeiten der Klangformung, wie sie eine normale Djembe bietet. Ich möchte hier nochmal mein Kaufangebot unterstreichen! Bisher ist der Hersteller aber auf diesem Ohr taub… ;-)

Update: Zusätzliche Bilder von der Herstellung. Das siebte Bild zeigt beispielhaft mit welchen Materialien gearbeitet wird. Danke DrumkenStein Drums!

Großartige Umsetzung von Ideen und tolle und neue Klänge! DrumkenStein erschafft teils neue Instrumente. Da kommt sicher noch mehr in Zukunft. Ich freue mich darauf!

Fazit

Das war mein Bericht von der ersten „CrashIt – Die Mannheimer Vintage & Custom Drum Messe“.

Ein riesiges Kompliment an Daniel Schwarz, der die Messe vorbereitet und organisiert hat! Ohne Menschen wie ihn, würde nichts Neues passieren auf dieser Welt! Großartig!

Falls Du als Besucher oder Aussteller oder Leser (!) eine Meinung hast zur ersten CrashIt, würde ich mich freuen, wenn wir uns unten in den Kommentaren austauschen würden und in Kontakt bleiben!

Bis zur 2. ChrashIt!

Nicolas Unger

Update 1 (10.10.2016):
– Super Bericht über die CrashIt von Christoph Behm auf Bonedo
– Danke an Martin von DrumkenStein Drums für das Foto der Snarebouka und weiteren Fotos der/des Djembzilla :-)
– Danke an Hebbe für einen entscheidenden fachlichen Hinweis!! Der Fehler wurde korrigiert.
– Zusätzlich habe ich einige Links zu Herstellern eingefügt, die https-Seiten haben.

Update 2 (11.10.2016): Ich habe zwei weitere Djembzilla-Fotos eingefügt

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